gegründet 1918 in Wittenberg

Ökumenischer Kirchentag 2010 in München

„Die Kirchen möchten sich doch einigen“

Reinhard Brandt / Elisabeth Grabner

Die Kirchen möchten sich doch einigen - lautet die bekannte Forderung, die oft und auch auf dem 2. ökumenischen Kirchentag in München vom 12.-16. Mai 2010 immer wieder erhoben wurde und wird. So will nach dem Münchner Erzbischof Reinhard Marx, einem der Vertreter der gastgebenden Kirchen bei diesem ÖKT, die römisch-katholische Kirche „wirklich eine sichtbare Einheit“. Und in seinem Grußwort zur Eröffnungsveranstaltung rief Oberbürgermeister Christian Ude aus München dazu auf, die Kirchen möchten sich doch auf gemeinsame Positionen einigen.

Die Frage, die sich mit einer solchen Forderung unabweisbar stellt, wird jedoch meist ausgeblendet: Worauf sollten sich die Kirchen denn bitte einigen? Auf welche Position sollten sie sich denn verständigen?

Die Luther-Gesellschaft hat es mit ihrem Stand auf der Agora unternommen, bei einer kleinen Umfrage eben diese Frage zu stellen. Dass es schön wäre, wenn die Kirchen sich einig wären, würde wohl kaum ein Besucher des Kirchentages bestreiten. Wir wollten indes wissen, wie sich dieser Wunsch bei einigen der (mehr oder weniger) bekannten strittigen Fragen konkret artikuliert. Im Hintergrund stand auch die Frage, ob und wie weit der Wunsch nach Einigkeit denn trägt.

Dazu haben wir am Stand der Luther-Gesellschaft eine Umfrage gemacht: Sechs kontroverse Fragestellungen wurden jeweils zur „Wahl“ gestellt. Auf welche Position müsste und sollte man sich verständigen, „damit Ökumene besser funktioniert“? - wie die Überschrift über dem Stand lautete. Die Besucher sollten also alternativ zwischen zwei Positionen - bzw. ausdifferenzierter zwischen drei oder vier Alternativen - entscheiden. Jeder Besucher bekam sechs Holzplättchen in die Hand und sollte sechsmal eine Entscheidung zwischen den verschiedenen Alternativen treffen, das heißt: die Plättchen in einen von den beschrifteten Beuteln werfen, die jeweils als Alternative nebeneinander hingen.

Um anschließend nachvollziehen zu können, wie viele römisch-katholische und wie viele evangelische Christen an der Umfrage teilnehmen, haben wir nach Farben differenziert:

Mit der Markierung der Konfession der Abstimmenden ergibt sich auch die Möglichkeit, konfessionelle Profile zu erheben. Zum Beispiel: Sehen sich in der einen oder anderen Frage römisch-katholische Christen den offiziellen Positionen ihrer Kirche verpflichtet? Oder vertreten Sie eher Positionen, die herkömmlich als evangelisch zu identifizieren sind? Oder: Wie viele evangelische Christen wären bereit, den Papst als Oberhaupt auch der evangelischen Kirche anzuerkennen (solche Stimmen gibt es ja!) und wie viele römisch-katholische Christen fordern eben dies, damit die Ökumene besser funktioniert.

Schon dieses Beispiel zeigt, dass die Fragen natürlich viel differenzierter sein müssten, denn es ist sofort zurückzufragen, wie das gemeint sei: der Papst als Oberhaupt auch der evangelischen Kirchen?! Nur unspezifisch als „Sprecher der Christenheit“? Dann als Sprechen auch gebunden an das, was etwa evangelische Synoden beschließen? Oder bezogen nur auf einen Minimalkonsens? Oder der Papst als „Oberhaupt“ mit einem Recht iure humano auch gegenüber den evangelischen Kirchen? Gar mit einem Recht iure divino?

Doch auch wenn die Notwendigkeit weiterer Differenzierung unmittelbar einleuchtet, hat sich gezeigt, dass mit den sechs strittigen Themenkomplexen und den zwei bis vier Alternativen nebeneinander die Grenze schon erreicht ist, was an Komplexität bei einer solchen „Umfrage en passant“ zu leisten ist. Immer wieder war zu erklären, wo (bei welcher Reihe von Alternativen) wie viele (je eines!) Plättchen einzuwerfen waren. Für diejenigen, die auf differenzierterer Behandlung bestanden, gab es die Möglichkeit, die eigene Ansicht in einem Schreibheft zu notieren.

Im folgenden bieten wir zunächst das Ergebnis der Umfrage mit den absoluten Zahlen, wie viele Plättchen von welcher Farbe in welchem Beutel waren, wie viele Christen aus welcher Konfessionsfamilie also so oder so zwischen den Alternativen gewählt haben. Die erste Tabelle zeigt das Gesamtergebnis über alle drei Tage (13.-15.05.2010). Da man vielleicht vermuten kann, dass sich das Ergebnis über die Tage verschiebt, sei als Tabelle 2 eine Aufgliederung nach Tagen angefügt.

Eine Auswertung und eine Bewertung der Zählergebnisse ist damit noch nicht geleistet. Diese wird in Heft 1/2011 der Zeitschrift LUTHER vorliegen.

Grafiken zur Umfrage

Damit die Ökumene besser funktioniert...

1-Gesamtzaehlung 2-Donnerstagsabstimmung 3-Freitagsabstimmung 4-Sonnabendsabstimmung

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letzte Änderung: Freitag, 20. November 2015