gegründet 1918 in Wittenberg

Predigt am Reformationstag für Kinder

Hans-Hermann Tiemann

Mitten in Europa liegt das kleine Städtchen Eisleben. Etwa 6.000 Menschen leben hier. In Eisleben wird am 10. November 1483 Martin Luther geboren. Zu jener Zeit besteht Europa aus vielen kleinen Ländern. Sie werden von Fürsten regiert: jedes Land hat seinen Fürsten. Die großen Städte verwalten sich selber. Länder und Städte gehören zum Reich des Kaisers.

Es ist das 'Heilige Römische Reich Deutscher Nation' (1). Der Kaiser ist der oberste Herr über das ganze Reich. Er führt Kriege mit seinen Feinden. Er trifft sich mit den Fürsten regelmäßig zum Reichstag. Dort werden wichtige Fragen besprochen, die das ganze Reich betreffen: neue Gesetze, Steuern und Kriegszüge. Auch die Kirche ist mächtig. An ihrer Spitze steht der Papst in Rom. Er bestimmt über alles, was in der Kirche geschieht.

In dieser Zeit lebt Martin Luther. Er führt ein gehorsames Leben. Er geht zur Schule und er studiert. Er geht sogar ins Kloster. Das ist eine besonders strenge Schule, aus der Schüler nie wieder herauskommen sollen. Schüler und Schülerinnen nennt man dort 'Mönche' und 'Nonnen'. Luther musste hart arbeiten. Er durfte nicht mit den anderen Mönchen und schon gar nicht mit den Nonnen spielen. Das Kloster war wie ein Gefängnis. Er wohnte in einer kleinen, kalten Zelle. Er schlief darin auf dem Boden. Er bekam nur schlechtes Essen. Oft aß er gar nichts. Das nannte man Fasten. Den Oberen im Kloster durfte er nicht widersprechen. Er musste alles gut finden, was sie taten. Luther wollte ganz brav sein. Er hoffte, so ein besonders gerechtes Leben zu führen. So meinte er, dass er vor Strafen sicher sei. Doch es kam genau anders.

Bei einem Gewitter liest Luther im Turmzimmer des Klosters in der Bibel. Er denkt nach und schüttelt immer wieder den Kopf. Er blättert in vielen Büchern. Aber es hilft nichts. Er sagt: "Ich kann nicht mehr. Nie werde ich diesen Satz verstehen: 'GOTT IST GERECHT.' Es kann nicht wahr sein. Wenn Gott gerecht ist, dann straft er mich streng wegen meiner Sünden, und ich muss immer noch mehr arbeiten und fasten und gehorsam sein. Gott rechnet alles zusammen, was ich falsch mache. Gott ist grausam und unbarmherzig. Ich hasse ihn."

Doch plötzlich liest Luther weiter. Auf einmal fängt er an zu lachen. "Jetzt habe ich es herausgefunden. Ich habe den Satz zu Ende gelesen. Er heißt: 'GOTT IST GERECHT - WER DARAUF VERTRAUT, WIRD LEBEN!' Von Sünden steht da nichts. Gott hat uns lieb. Und wen Gott lieb hat, der wird frei sein. Wir brauchen uns vor nichts zu fürchten. Ich muss nichts tun. Der Glaube ist genug."

Am 31. Oktober 1517 hängt Martin Luther ein Plakat mit seiner Entdeckung an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Alle sollen es lesen: Der gerechte Gott hat uns lieb. Wir müssen nichts dazu tun. Das gefällt dem Papst aber ganz und gar nicht. Er lässt Luther verhören. Luther wird verfolgt und aus der Kirche verbannt.

Beim Reichstag in Worms 1521 darf Luther seine Entdeckung vortragen. Der Kaiser hält ihn für einen gelehrten Mann. Aber er ärgert sich über Luther. Wenn alle die Bibel so lesen, dann ist es aus mit Papst und Kaiser. Niemand wird dann mehr gehorsam sein. Der Kaiser straft Luther mit der Reichsacht. Luther muss abreisen. Er ist in Gefahr.

Luther kann sich retten. Er flieht auf die Wartburg. Dort arbeitet er in einem geheimen Studierzimmer. Er macht dort die Bibel auf Deutsch lesbar für alle. Jeder und jede soll es wissen: Gott ist gerecht. Er macht uns frei.

Als er fertig ist, geht er nach Wittenberg zurück. Dort schreibt auch eine kurze Einführung in den Glauben, Katechismus genannt. Er lässt neue Schulen in den Städten und Dörfern gründen. In diesen Schulen soll man die christliche Freiheit kennen lernen. Man soll nicht wie in Gefängniszellen sitzen. Man soll besser leben können. Wer frei sein will, muss etwas lernen. Sein Katechismus findet reißende Nachfrage.

Einige Fürsten bekennen sich zu seiner Lehre. Sie wollen frei sein unter dem Kaiser. Sie wollen dem Papst nicht länger dienen. Sie werden zu Bischöfen in der Kirche. Sie wollen ihren Leuten die Freiheit bringen. Nicht in die Klosterzellen, sondern in die Welt hinaus schicken sie die Menschen. Allen soll es besser gehen. Sie bilden so eine neue Kirche, die Kirche der freien Menschen. Das ist eine fröhliche Kirche, das heißt eine "evangelische" Kirche.

Martin Luther wollte keine Extra-Kirche. Aber gegen eine fröhliche Kirche hatte er nichts einzuwenden. So gehören heute mehr als 100 Millionen Menschen zu dieser fröhlichen Kirche. Luther hat mit seiner Bibel die Menschen glücklich gemacht. Mit seinem Plakat vom Reformationstag hatte er die Welt verändert.

Gestaltung und Anwendung: Die Geschichte kann spontan, evtl. mit einfachen Requisiten bzw. Kostümen nachgespielt werden. Gerade die dabei e ntstehenden Abweichungen sind spannend. Abschluss: Alle hüpfen vor dem Altar über einen Halbkreis aus Matratzen.

(1) = Der Titel "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation" kommt im 15. Jahrhundert unter Friedrich III. (1415-1493, 1452 in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt) auf, gilt jedoch nur für die deutschen Teile des Reiches. Im 19. Jahrhundert wird er fälschlich auf das von Deutschland aus beherrschte Gesamtimperium bezogen (vgl. Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte, §48e, Anm. 1)

letzte Änderung: Donnerstag, 01. Dezember 2011